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Meine ersten Erfahrungen am Women’s Studies Centre

 

An meinem ersten Tag auf dem Campus erfuhr ich von einer Kommilitonin, dass es den Studierenden der Women’s Studies Kurse erlaubt ist, während der Seminarstunde zu essen, wenn diese schon um 9 Uhr beginnt und einem deshalb keine Zeit mehr zum Frühstücken bleibt. Da ich es von meinem Uni-Alltag in Göttingen gewohnt bin, nicht vor 8 Uhr aufzustehen, kann ich diese Regelung sehr gut nachvollziehen. Zu spät kommen scheint zudem ebenso wenig ein Problem zu sein, wie die Kombination aus Zu-spät-kommen und Erstmal-das-Essen-auf-dem-Tisch-auspacken. Das Verhältnis zwischen den Dozentinnen und den Studierenden am Women’s Studies Centre macht auf mich einen sehr lockeren und entspannten Eindruck. Dies ist wohl nicht an jeder Fakultät der Universität der Fall.

 

Fußfreiheit wird während des Unterrichts hoch geschrieben: Während der Seminarstunde entledigen sich viele Studierende erst einmal ihrer Schuhe, um anschließend die Füße hochzulegen, oder es sich im Schneidersitz bequem zu machen. Da ich gelesen hatte, dass Füße in Indien als unrein gelten und es ein Tabu sei, sie auf eine andere Person zu richten, war ich etwas irritiert, als einige Studierende ihre Füße so hochlegten, dass sie direkt auf die Dozentin gerichtet waren. Mir wurde einmal mehr bewusst, dass kulturelle No-Gos nicht für alle sozialen Räume gelten und es wohl zutreffend ist, wenn Indien als Land voller Widersprüche bezeichnet wird.

 

Da ich nur einen Kurs aus dem zweiten Jahr, also dem dritten Semester belege und das erste Jahr, bzw. erste Semester erst Mitte August beginnt, hatte ich einen sehr entspannten Einstieg in der Uni. Mein Kurs „Gender Theory in India“ hatte zwar schon am 8. Juli begonnen, jedoch hatte ich wohl nur zwei Unterrichtseinheiten verpasst und konnte mich gut in die Thematik einfinden. Etwas verwirrend war für mich jedoch, dass die in Deutschland als Module geltenden Kurse, die hier während eines Semesters belegt werden, nicht als Module, sondern eben als Kurse bezeichnet werden und in fünf aufeinanderfolgende Thematiken – hier: Module – gegliedert sind. 

Der Classroom Complex, in welchem unsere Kurse stattfinden.
Der Classroom Complex, in welchem unsere Kurse stattfinden.

Etwa ein Monat nach Beginn des Kurses wurde mir von der Dozentin mitgeteilt, welche Aufgabe(n) ich während des Semesters zu erfüllen habe. Die Aufgabenstellung war für mich jedoch nicht ganz eindeutig, weshalb ich mich mehrfach bei der Dozentin und einer Kommilitonin erkundigen musste, wie sie zu verstehen ist. Inzwischen habe ich es so verstanden, dass ich mir ein zum Kurs passendes Thema wählen soll, zu welchem ich während des Semesters neun wissenschaftliche Artikel lese und diese dann am Ende des Semesters in einem Essay zusammen fasse. Zusätzlich sollen wir einen der Texte, die für das Modul zu lesen sind, in einer der Kurseinheiten vorstellen - diese wurden uns bisher jedoch noch nicht ausgeteilt. Nachdem ich mich nun mehrfach erkundigt habe, wann wir diese Texte bekommen werden, wurde mir von der Dozentin zugesichert, dass ich sie innerhalb der kommenden Tage im Women’s Studies Centre abholen könne. 

 

Während meines Studiums in Göttingen hatte ich bereits ein Referat zu den "Auswirkungen des Kolonialismus auf Sexualität und Geschlecht im Islam" gehalten und war dabei mit der Kriminalisierung von Homosexualität durch die britische Kolonialmacht konfrontiert worden. Da es mir sehr wichtig erscheint, diese Thematik aufgrund aktueller Debatten in Europa und Indien genauer zu beleuchten, habe ich mich dazu entschieden, meinen Essay über das Thema „the relationship between sexuality and colonial India“ (also über die Beziehung von Sexualität und dem kolonisierten Indien) zu schreiben.