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Gendering Social History: Women’s History, Feminist History, Gender History

 

In meinem Artikel Writing History – was sind historische Fakten? habe ich bereits verdeutlicht, weshalb es wichtig ist, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, wenn wir die Gegenwart verstehen wollen. Um die Geschlechterverhältnisse und Gendernormen der Gegenwart besser verstehen zu können, befassen sich die Women’s Studies und die Gender Studies insbesondere mit historischen Prozessen, in denen die Konstruktion von gender eine entscheidende Rolle gespielt hat. Die drei verschiedenen Ansätze, mit denen innerhalb der letzten Jahrzehnte auf Frauen, Geschlechterverhältnisse und Konstruktionen von gender in der Vergangenheit geschaut wurde, werde ich im Folgenden differenzieren.

 

Women’s History untersucht, welche Rolle Frauen – Individuen und Frauengruppen – in der Geschichtsschreibung gespielt haben. Sie befasst sich insbesondere mit der Entwicklungen von Frauenrechten und erforscht die Effekte historischer Ereignisse auf Frauen. Da die traditionelle Geschichtsschreibung die Errungenschaften von Frauen meist ignoriert oder minimalisiert hat, kann der Ansatz als historischer Revisionismus verstanden werden, der versucht, den traditionellen historischen Konsens herauszufordern bzw. zu erweitern.

Diese Sichtbarmachung von Frauen war ein Akt der Emanzipation und diente als Argument für die gleiche Behandlung von Frauen und Männern. Gleichzeitig bezieht der Ansatz jedoch Stereotype mit ein und enthält eine essentialistische Tendenz.

 

Viele Feministinnen haben die Unterschiede zwischen den materiellen Bedingungen und subjektiven Erfahrungen von Frauen anerkannt, jedoch gleichzeitig betont, dass die allgemeinen subjektiven Erfahrungen von Frauen dieselben sind: die mangelnde Kontrolle über ihre eigene Sexualität, sowie die Unterdrückung durch das Patriarchat. Obwohl die materiellen Bedingungen und die sozialen Beziehungen unter Frauen sehr verschieden sind, wurden von Feministinnen häufig feststehende und essentialisierende Kategorien von Frauen beschrieben: Indische Frauen vs. westliche Frauen; muslimische Frauen vs. hinduistische Frauen. Bei dieser Kategorisierung wurden die Unterschiede ignoriert, die zwischen Frauen mit der gleichen Nationalität, race oder Religionszugehörigkeit bestehen. Indem Feministinnen die Diversität zwischen weiblich gelesenen Menschen herunter gespielt haben, um durch Essentialisierungen eine gemeinsame Identität von Frauen in Opposition zum Patriarchat zu konstruieren, haben sie das politische Ende des Feminismus eingeleitet.

Ein Korrektiv zu den essentialistischen Tendenzen feministischer Politiken bietet deshalb der historisierende Ansatz Feminist History, mit welchem untersucht wird, wie verschiedene Kategorien von Frauen durch politische Diskurse und kontrastierende Beziehungen in bestimmten historischen Kontexten produziert wurden. Es wird deutlich, dass indische Frauen nur durch die Existenz westlicher Frauen als Kategorie existieren können (und umgekehrt). Gleiches gilt für die historische Kategorisierung muslimische Frauen durch den Kontrast zu hinduistischen Frauen. Die Definition, was eine Frau, eine indische Frau oder eine woman of colour ist, wurde ebenso wie die Bedeutung von race in historischen Konstruktionsprozessen beschlossen und lässt sich deshalb nicht durch Essentialisierungen naturalisieren.

Indem dieser Ansatz die Unterschiede zwischen Frauen beschreibt, hebt er einerseits den Fakt verschiedener Identitäten hervor, macht aber andererseits auch deutlich, dass auf Unterschieden basierende Identitäten nur durch Kontrastdarstellungen der Anderen existieren. Gleiches gilt für die Konstruktion von gender, die auf der Etikettierung und Kontrastierung femininer und maskuliner Attribute basiert. 

 

In der Gender History geht es um ein Verständnis der Vergangenheit aus der Perspektive von gender. Wir betrachten also die Geschichte von gender, bzw. wie Gendernormen innerhalb der Vergangenheit konstruiert wurden. Indem wir uns mit der Komplexität und Vielschichtigkeit der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte befassen, können wir verstehen, wieso gender keinen „natürlichen“ Ursprung hat, sondern das Ergebnis historischer und gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse ist.

Basierend auf der Annahme, dass gender sozial konstruiert ist, untersuchen wir, wie Geschlechterunterschiede an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich wahrgenommen und gestaltet wurden. Wir befassen uns mit den Veränderungen von erwarteten Verhaltensnormen, die als männlich oder weiblich etikettiert sind und wie diese im Laufe der Zeit performt wurden. Dabei interpretieren wir, was uns Veränderungen dieser Normen über das soziale, kulturelle und politische Klima sagen können.
Wenn wir die Vergangenheit wirklich verstehen wollen, müssen wir uns also mit gender auseinandersetzen. Gleichzeitig müssen wir uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen, wenn wir gender verstehen wollen.

Bei dieser Thematik ist es wichtig zu bedenken, dass Gender ein objektiver Ansatz ist, während Feminismus eine politische Ideologie verkörpert.