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Wie ich für meine neue Brille zwei mal nach Panjim reisen musste

 

Wenige Wochen, nachdem mein Auslandssemester in Pune begonnen hatte, war bereits einer meiner Brillenträger abgebrochen. Anstatt jedoch die im Vergleich zu Deutschland günstigen Preise auszunutzen und mir eine neue Brille anfertigen zu lassen, setzte ich mir in den Kopf, meine Brille reparieren lassen zu müssen. Zunächst musste ich mir sagen lassen, dass dies nicht möglich sei, – ich konnte den "Optiker“ gerade noch davon abhalten, die Gläser herauszubrechen, in der Hoffnung mir ein neues Gestell andrehen zu können – bekam am Ende jedoch meine Brille „professionell“ gelötet zurück. Dieses Konstrukt hielt genau bis eine Woche vor Ende meines Auslandssemesters. Als es nun drohte, wieder auseinander zu fallen, entschied ich mich dazu, mir doch eine neue Brille anfertigen zu lassen. Bei der Optiker-Kette Lenskart fand ich sogar ein Gestell, das mir halbwegs gefiel, und ließ mir für 6300 Rupien (ca. 80€) meine Brille mit Gläsern aus Japan inklusive Blaulichtfilter anfertigen – in Deutschland zahle ich bereits 80€ für eins meiner Gläser ohne Blaulichtfilter. Die Rechnung musste ich im Voraus zahlen, nachdem mir versichert worden war, dass die Brille definitiv am Wochenende vor meiner Abreise ankommen würde.

 

Als ich mich am Samstag erkundigte, wurde ich zunächst auf den späten Nachmittag vertröstet. Dann hieß es aufeinmal, das Transportfahrzeug sei auf dem Weg kaputt gegangen. Am nächsten Tag wurde mir am Telefon mitgeteilt, dass meine Brille aus Versehen nach Bangalore geliefert worden war. Nun entschied ich mich, persönlich in Erfahrung zu bringen, was das für ein Theater war. Nun hieß es, sie sei in Bombay gelandet. Da ich am Abend nach Goa aufbrechen wollte und mein Bus schon gebucht war, wurde mir vorgeschlagen, meine Brille bis Ende der Woche nach Panjim – die einzige Stadt in Goa, in welcher Lenskart eine Zweigstelle hat – zu liefern. Da mein Bus nach Hampi – der Ort zu dem ich am darauffolgenden Freitag fahren wollte – auch in Panjim hielt, entschied ich mich spontan dazu, eine Nacht dort zu bleiben und mir tagsüber die Stadt anzuschauen.

In meinem LonelyPlanet Reiseführer hatte ich gelesen, dass Panjim (auch: Panaji) eine schöne Kolonialstadt ist, die einen Besuch definitiv wert sei. Zudem hatte ich zufällig erfahren, dass dort gerade auch das internationale Filmfestival Goa stattfand. Von Vagator – wo ich mich einen Tag in einem schnuckeligen Beach Resort von Arambol erholt hatte – war es zudem nicht allzu weit nach Panjim. Ich entschied mich spontan, im Old Quarter Hostel zu übernachten und bekam noch ein freies Bett in einem Vierbettzimmer. Das Hostel befindet sich mitten im Latin Quarter, wo ich nach dem Check-In entspannt durch die ruhigen Gassen spazieren und mir die wunderschönen Kolonialbauten ansehen konnte. Ich fühlte mich wie in Südeuropa.

Im Laufe des Tages erfuhr ich, dass man die Pässe für das Filmfestival 10 Tage im Voraus hätte erwerben müssen, um sich nun die neuen Filme ansehen zu können. Da ich mir eigentlich auch lieber die Stadt anschauen wollte, ärgerte ich mich auch nicht sonderlich darüber. Während ich durch die Stadt spazierte wurde ich von niemandem angequatscht - außer bei der Our Lady of the Immaculate Conception Church, der einzigen Sehenswürdigkeit in Panjim, wo ich natürlich wieder nach einem Selfie gefragt wurde – und fühlte mich auch noch wohl und sicher, als ich im dunkeln zurück zu meinem Hostel lief. 

 

In meinem Dorm (Mehrbettzimmer) lernte ich drei weitere alleinreisende Frauen kennen: Eine junge Architektin aus Auroville, der „universellen“ Projekt-Stadt im Süden Indiens; eine Reisende aus Südkorea, die mir erzählte, dass sie eigentlich in Kanada Gender Studies studieren wollte, sich dann aber doch erst einmal fürs Reisen entschieden hatte; und eine Italienierin, die in der Schweiz lebte und deshalb auch Deutsch sprach.

Am nächsten Morgen traf ich mich zum Frühstücken mit einem jungen Couchsurfer (Jay), der mich im Anschluss zu Lenskart begleitete. Dort erfuhr ich, dass meine Brille „noch“ in Delhi war. Ich war fassungslos. Nach einem langen Telefonat mit Lenskart in Pune stellte sich heraus, dass die Brille beim Transport beschädigt worden war und die Gläser neu angefertigt werden mussten – wie so etwas in einem Brillenetui passieren konnte, war mir schleierhaft. Vor allem ärgerte es mich, dass ich zum wiederholten Male nicht benachrichtigt worden war. Da am selben Abend bereits mein Bus nach Hampi fuhr (eine Strecke von ca. 12 Stunden Busfahrt), wo ich mich mit Freundinnen aus Pune treffen wollte, blieb mir also nichts anderes übrig, als in der kommenden Woche noch einmal nach Panjim zu fahren.

Nach 4 erholsamen Tagen in Hampi und Sanapur musste ich also mit dem dreckigen non-AC Bus, in dem es mich schon auf dem Hinweg gegraust hatte, die gesamte Strecke nach Panjim wieder zurück fahren. Aufgrund eines leichten Sonnenstichs war mir die gesamte Busfahrt übel und ich war froh, mich nicht übergeben zu müssen. Als ich mit einigen Stunden Verspätung endlich in Panjim ankam, fuhr ich zunächst in das klimatisierte Café Rasa, welches Jay mir in der vorherigen Woche gezeigt hatte. Er hatte inzwischen meine Brille bei Lenskart eingesammelt und brachte sie mir in seiner Mittagspause vorbei. Glücklicherweise passte sie perfekt und ich konnte mich direkt auf den Weg zu meinem nächsten Ziel machen: nach Agonda im Süden von Goa. (Dort wo ich am morgen schon mit dem Bus vorbei gefahren war, als ich extra wegen meiner Brille wieder nach Panjim fahren musste.) Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, die Strecke mit öffentlichen Bussen zurück zu legen. Da ich mich jedoch immer noch nicht besser fühlte und mit öffentlichen Bussen drei mal hätte umsteigen müssen, entschied ich mich, die Strecke von 70km mit dem Taxi für 2000 Rupien (ca. 25€) zurück zu legen. Im nachhinein frage ich mich, ob ich Lenskart  um eine Fahrtkostenerstattung hätte bitten sollen.